Nach der Ablehnung der Unternehmenssteuerreform III zu Beginn des Jahres, hat der Bundesrat am 9. Juni 2017 die Eckwerte der Steuervorlage 17 verabschiedet. Der Entwurf lehnt sich stark an die Konzeption der Unternehmenssteuerreform III an. Mit der Inkraftsetzung erster Komponenten auf kantonaler Ebene ist wohl frühestens 2020 zu rechnen.

1 ABLEHNUNG USR III

Am 12. Februar 2017 erteilte das Schweizer Stimmvolk der Unternehmenssteuerreform III ("USR III") eine deutliche Abfuhr. Die Reform sah vor, die international geächteten Steuerregime für Finanzbetriebsstätten (Swiss Finance Branch), Prinzipalgesellscahften, Holdinggesellschaften, gemischte Gesellschaften und Domizilgesellschaften abzuschaffen und die Privilegien durch international akzeptierte Massnahmen zu kompensieren. Vorgesehen war, den Kantonen einen modulartigen Katalog an Ersatzmassnahmen zur Verfügung zu stellen, welche gemäss den konkreten Bedürfnissen auf kantonaler Ebene umgesetzt worden wären. Die Vorlage zielte darauf ab, den internationalen Druck auf den Schweizer Wirtschaftsstandort im Zusammenhang mit der Unternehmensbesteuerung zu reduzieren, ohne jedoch die Standortattraktivität allzu sehr zu gefährden.

Die Gründe für die Ablehnung der USR III durch das Schweizer Volk waren mannigfaltig. Zum einen wurde die Vorlage als überladen und unausgeglichen empfunden. So wurde zum Beispiel die nachträglich vom Parlament eingebrachte Massnahme der zinsbereinigten Gewinnsteuer (Notional Interest Deduction; "NID") stark kritisiert. Die Vorlage erweckte den Eindruck, dass sie sich überwiegend an den Interessen der international ausgerichteten Grosskonzerne orientierte. Sie brachte ausserdem erhebliche Ungewissheiten bezüglich der finanziellen Auswirkungen für Bund und Kantone sowie bezüglich der konkreten Umsetzung in den jeweiligen Kantonen mit sich.

Im internationalen Kontext hat sich die Schweiz verpflichtet, bis 2019 die von der internationalen Gemeinschaft als schädlich betrachteten Steuerregime abzuschaffen. Gelingt dies nicht, droht der Schweiz die Aufnahme auf eine schwarze Liste der Steueroasen. Damit würde nicht nur das Ansehen der Schweiz als Wirtschaftsstandort massiv geschädigt, es drohten auch folgenschwere Gegenmassnahmen von Seiten anderer Staaten, wie beispielsweise die Kündigung von Doppelbesteuerungsabkommen (eher unwahrscheinlich), das Erheben von Quellensteuern auf Zahlungen an Schweizer Empfänger, die Verweigerung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen im Zusammenhang mit Zahlungen an Schweizer Statusgesellschaften sowie andere bürokratische und administrative Hürden.

Kommt hinzu, dass ab 2018 Steuerrulings (verbindliche Steuervorbescheide) mit ersten Staaten ausgetauscht werden. Dies dürfte den Druck auf Schweizer Gesellschaften, die von einem Steuerprivileg profitieren, weiter erhöhen. Aus Reputationsgründen sowie zur Vermeidung der Folgen von allfälligen Gegenmassnahmen anderer Staaten, könnten sich Schweizer Statusgesellschaften gezwungen sehen, ihren Sondersteuerstatus vor Steuervorlage 17 der Unternehmenssteuerreform freiwillig aufzugeben. Ein solcher Statusverzicht kann allenfalls mit einem sog. Step-up überbrückt und abgefedert werden (steuerneutrale Aufdeckung der stillen Reserven).

Ob, ab wann und in welchem Ausmass der Schweiz Gegenmassnahmen von Drittstaaten drohen, ist zurzeit noch unklar. Um gegenwärtige Rechtsunsicherheiten zu beseitigen und die Standortattraktivität zu erhalten, tut die Schweiz gut daran, schnellstmöglich eine neue, mehrheitsfähige Vorlage auszuarbeiten und damit der internationalen Gemeinschaft ihre Absichten zur Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von schädlichen Steuerregimen zu demonstrieren.

2 STEUERVORLAGE 17

Bereits knapp vier Monate, nachdem die Vorlage zur USR III abgelehnt worden ist, präsentierte das Steuerungsorgan am 1. Juni 2017, unter Leitung des Vorstehers des Eidgenössischen Finanzdepartementes, Empfehlungen für die Steuervorlage 17 als Ersatzvorlage zur USR III. Diese wurden breit abgestützt, unter Mitarbeit von Bundes-, Kantons- und Gemeindevertretern sowie unter Konsultation der Parteien und Wirtschafts- und Arbeiterverbänden ausgearbeitet und verfolgen einen Ansatz der Ausgewogenheit, um nicht zu sagen der politischen Machbarkeit. Gemäss Empfehlung des Steuerungsorganes soll sich die Vorlage an folgenden drei Zielen orientieren:

  1. Sicherung der Standortattraktivität;
  2. Internationale Akzeptanz; und
  3. Ergiebigkeit der Steuererträge.

Die Steuervorlage 17 gründet auf der USR III und übernimmt damit auch deren wichtigsten Reformkonzepte. Diese sollen allerdings restriktiver ausgestaltet werden. Den Interessen der Kantone und Gemeinden soll mehr Gewicht zukommen und die Zusammenarbeit soll verbessert werden. Auch im Rahmen der Steuervorlage 17 sollen die Kantone motiviert werden, ihre Steuersätze zu senken. Andernfalls wären Statusgesellschaften, die nicht von Ersatzmassnahmen und Übergangsregelungen profitieren können, einer massiven Erhöhung der Steuerlast ausgesetzt. Zur Entlastung der Kantone soll deshalb der vertikale Finanzausgleich angepasst werden. Die Kantone sind ausserdem angehalten, ihre Pläne zur Umsetzung der Steuervorlage 17 schnellstmöglich zu veröffentlichen und die Umsetzungsprojekte parallel zur Umsetzung der Steuervorlage 17 voranzutreiben. Mit der damit erzielten verbesserten Abschätzbarkeit der Konsequenzen, in Kombination mit einer verbesserten Informationsstrategie, soll die Akzeptanz der Steuerreform in der Bevölkerung erhöht werden.

2.1 ZEITRAHMEN

Der Bundesrat befand am 9. Juni 2017 über die empfohlenen Eckwerte der Vorlage und genehmigte diese. Nun folgt die Ausarbeitung der Vernehmlassungsvorlage durch das Eidgenössische Finanzdepartement. Die Vernehmlassung soll bis Dezember 2017 abgeschlossen werden. Im Anschluss daran soll die Botschaft im Frühjahr 2018 durch den Bundesrat und das Gesetz in der Sommer- und Herbstsession 2018 durch das Parlament verabschiedet werden. Erste Komponenten der Vorlage könnten somit im Frühjahr in Kraft treten, vorausgesetzt, das Referendum wird nicht ergriffen. Die Umsetzung auf kantonaler Ebene dürfte allerdings nicht vor 2020 erfolgen.

Der angestrebte Zeitplan erscheint ambitiös und dürfte vor allem von einer raschen Einigung der Interessengruppen im Parlament abhängen.

2.2 DIE MASSNAHMEN DER STEUERVORLAGE 17 IM EINZELNEN

Wie bereits erwähnt, übernimmt die Steuervorlage 17 das Konzept und damit einen Grossteil der Massnahmen der USR III. Kernelement und zentraler Treiber für die Steuerreform bleibt die Abschaffung der international in Verruf geratenen Steuerregime. Neu hinzu kommen die Erhöhung der minimalen Kinder- und Ausbildungszulagen und die Anhebung der Teilbesteuerung auf Dividenden auf Stufe Anteilsinhaber. Dagegen fällt die viel kritisierte Massnahme der zinsbereinigten Gewinnsteuer weg. Diese zusätzlichen Elemente wurden eingefügt, um die politische Akzeptanz zu erhöhen.

Aus Gründen der Bewahrung der Standortattraktivität im internationalen Vergleich sind weiterhin Steuersatzsenkungen auf kantonaler Ebene zu erwarten. Diese werden allerdings unabhängig von der Reform und von den Kantonen autonom beschlossen. Diverse Kantone hatten Steuersatzsenkungen bereits begleitend zur USR III angekündigt (vgl. Tabelle unten):

Gesenkter effektiver Gewinnsteuersatz inkl. Bundessteuer (bisheriger Satz Gesenkter Kapitalsteuersatz (bisheriger ordentl. Satz)
Bern 16.37% (23.35%) 0.01% (0.03%)
Basel-Land 14% (20.7%) 0.155% (0.375%)
Basel-Stadt ca. 13% (22.18%) 0.1% (0.525%)
Fribourg 13.72% (20.85%) 0.04% (0.16&)
Genf 13.49% (24.2%) kein Reduktion
Solothurn 12.9% (21.8%) 0.02% (0.08%)
Zug ca. 12% (14.6%) keine Reduktion
Zürich 18.2% (21.1%) keine Reduktion
Luzern 12.32% 0.185%

Nachfolgend werden die einzelnen Eckwerte der Steuervorlage 17 kurz dargestellt und deren Inhalt erläutert:

  1. Patentbox
    Die Steuervorlage 17 sieht die Einführung von OECD-konformen Patentboxen auf kantonaler Ebene vor. Während im Rahmen der USR III die Patentbox noch als fakultative Massnahme geplant war, wird deren Einführung im Rahmen der Steuervorlage 17 auf obligatorischer Basis vorgeschlagen. Neuerdings soll die Patentbox restriktiver ausgestaltet werden. Insbesondere sollen Erträge aus urheberrechtlich geschützter Software nicht steuerlich begünstigt werden.

    Patentboxen bezwecken die gesonderte und privilegierte Besteuerung von Einkünften aus Patenten und vergleichbaren Rechten. In Folge der Zuweisung an eine Patentbox unterliegen Einkünfte einer tieferen Besteuerung als die übrigen Einkünfte des Unternehmens. Damit wird die Steuerlast von Unternehmen, welche qualifizierende Patente und vergleichbare Rechte halten und bewirtschaften, reduziert.

    Wie die Abzüge für Forschungs- und Entwicklungskosten (sog. Input-Förderung) stellen Patentboxen (sog. Output- Förderung) Instrumente zur Förderung von Forschung und Entwicklung ("F&E") dar und dienen der Stärkung der Schweiz als Industrie- und Forschungsstandort.
  2. Erhöhte Abzugsfähigkeit von Forschungsund Entwicklungskosten
    Weiterhin im Rahmen der Förderung von F&E soll den Kantonen auf fakultativer Basis die Möglichkeit gegeben werden, einen erhöhten Abzug von F&E-Kosten vorzusehen (sog. Input-Förderung). Den Unternehmen wird damit erlaubt, Abzüge für F&E-Kosten bis zu maximal 50% über den effektiv angefallenen Kosten geltend zu machen ("Superdeduction"). Im Vergleich zur USR III soll die erhöhte Abzugsmöglichkeit jedoch weitgehend auf Personalkosten beschränkt bleiben. Im Inland angefallene Drittkosten wären damit nicht erhöht abzugsfähig.
  3. Obligatorische Entlastungsgrenze
    Die Gesamtentlastung durch die beiden oben genannten Massnahmen - die Patentbox und die Superdeduction - soll anhand einer obligatorischen Entlastungsgrenze beschränkt werden. Während die USR III noch eine Entlastungsgrenze von 80% vorgesehen hatte, könnte die Gesamtsteuerlast durch die beiden Massnahmen im Rahmen der Steuervorlage 17 nur noch maximal um 70% reduziert werden.
  4. Erhöhung der Teilbesteuerung von Dividenden
    Als Ausgleich für allfällige kantonale Steuersatzsenkungen sowie für übrige Massnahmen der Steuervorlage 17 ist vorgesehen, die Teilbesteuerung der Dividenden aus qualifizierten Beteiligungen im Privatbesitz (Beteiligungen von mindestens 10% am Kapital einer Gesellschaft) auf Stufe Bund von 60% auf 70% anzuheben sowie auf Stufe der Kantone eine Teilbesteuerung von mindestens 70% vorzuschreiben.

    Als besonders betroffen von der Anhebung der Teilbesteuerung auf Dividenden sieht sich das lokale Klein- und Mittelgewerbe. Die Ausgleichsmassnahme komme einer faktischen Steuererhöhung für einheimische Anteilsinhaber gleich. Demgegenüber ist jedoch festzuhalten, dass das lokale Klein- und Mittelgewerbe, erheblich von den kantonalen Steuersatzsenkungen profitieren würde.
  5. Vertikaler Finanzausgleich
    Von der USR III übernimmt die Steuervorlage 17 des Weiteren die Anpassung des vertikalen Finanzausgleiches zwischen Bund und Kantonen, um die kantonalen Finanzen hinsichtlich der Steuereinbussen im Zusammenhang mit den vorgeschlagenen Massnahmen zur Bewahrung der Standortattraktivität (insbesondere Steuersatzsenkungen) zu entlasten. Dabei wird im Rahmen der Steuervorlage 17 vorgeschlagen, den Anteil der Kantone an den Einnahmen generiert durch die direkten Bundessteuern von 17% auf 21.2% zu erhöhen. Der Bundesrat hat den vorgeschlagenen Anteil der Kantone jedoch auf 20.5% reduziert.
  6. Erhöhung der Kinder- und Ausbildungszulagen
    Neu dem Massnahmenkatalog hinzugefügt wurde die Erhöhung des Mindestbetrages der Kinder- und Ausbildungszulagen um 30%, auf mindestens CHF 230 bzw. CHF 280. Die Massnahme steht weder in sachlichem Zusammenhang mit den Anliegen der Unternehmenssteuerreform noch mit den restlichen vorgeschlagenen Massnahmen der Steuervorlage 17 und dient lediglich dazu, die Mehrheitsfähigkeit der Vorlage zu fördern.

3 AUSBLICK UND EMPFEHLUNGEN

Obwohl sich die vorgeschlagenen Massnahmen im Rahmen der Steuervorlage 17 als übersichtlich und greifbar präsentieren, müssen noch viele Fragen als offen betrachtet werden.

Mit der Streichung des NID und den zusätzlichen Ausgleichsmassnahmen (Erhöhung der Teilbesteuerung von Dividenden, Anhebung des Mindestbetrages der Kinderzulagen, Reduktion der Entlastungsgrenze) hat das Steuerungsorgan die Konsequenzen aus der Abstimmungsniederlage der USR III gezogen und ist den Vorlagegegnern in nicht unerheblicher Weise entgegen gekommen.

Es ist allerdings nicht auszuschliessen, dass der Bundesrat nach der Vernehmlassung oder das Parlament im Rahmen der Beratungen Anpassungen an der Vorlage vornimmt, vorgeschlagene Massnahmen streicht oder weitere Massnahmen hinzufügt. Verschiedene Parteien haben bereits Unzufriedenheit mit der einen oder anderen Massnahme verlauten lassen. Zu hoffen ist, dass man sich baldmöglichst auf eine mehrheitsfähige Vorlage einigt, um die steuerrechtlichen Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsstandort Schweiz zu beseitigen.

Offene Fragen bestehen des Weiteren bezüglich der Ausgestaltung der einzelnen Massnahmen (gerade hinsichtlich der effizienten Umsetzung einer von der OECD akzeptierten Patentbox) sowie der Umsetzung der Reform in den einzelnen Kantonen. Zur Gewährleistung der Transparenz und Förderung der Akzeptanz in der Bevölkerung wäre eine baldige Offenlegung der Strategien der Kantone zur Umsetzung der Vorlage wünschenswert.

Die weiteren Entwicklungen auf Bundesebene sowie auf kantonaler Ebene sind genau mitzuverfolgen, um rechtzeitig die erforderlichen Massnahmen zu treffen. So müssen gerade international ausgerichtete Unternehmungen unter Umständen die frühzeitige Aufgabe eines allenfalls in Anspruch genommenen Steuerregime ins Auge fassen und die nötigen Vorkehrungen treffen. Es sollte ausserdem analysiert werden, wie der Wegfall der Steuerregime mit Übergangsreglungen (Step-up) oder den neuen Entlastungsmassnahmen (Superdeduction/Patentbox) ausgeglichen werden kann. Die Ausgleichsmassnahmen können übrigens auch attraktiv sein für Unternehmen, welche bis anhin nicht von einem Steuerregime profitiert haben.

Originally published August 2017

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