Die Digitalisierung hält zunehmend auch im Bereich Finanzdienstleistungen Einzug. Als «Fintech » – ein aus den Bestandteilen «Finanzdienstleistungen» und «Technologie» zusammengesetzter Begriff – gelten Anwendungen im Zahlungsverkehr (M- und E-Payment, P2P), der Einsatz virtueller Währungen (Bitcoin, Ether), Plattformen für Crowdlending/Crowdfunding und Handelsplattformen basierend auf Blockchain und Distributed Ledger.

Die Bewertung von neuen Technologien durch Gesetzgeber und Regulatoren lässt sich im Wesentlichen in drei Kategorien unterteilen: Technologie als (i) Risiko-, (ii) Wettbewerbs- sowie (iii) Effektivitäts- und Effizienzfaktor. Im Umgang mit Fintech überwog noch in den ersten Stellungnahmen von FINMA und Bundesrat 2014 der Ansatz der Risikobekämpfung. Seit 2016 stehen Wettbewerb, Effektivität und Effizienz jedoch im Vordergrund.

FINMA RS 2016/7 Video- und Online- Identifizierung

Im Bereich Geldwäschereiprävention wurden die Anforderungen für die Erfüllung der Sorgfaltspflichten nach GwG durch ein FINMA-Rundschreiben den technischen Veränderungen angepasst. Neu können diese Pflichten durch Video- oder mittels Onlineldentifizierung erfüllt werden.

Weitere fintech-freundliche Schritte wurden mehrfach angekündigt und mündeten in die folgenden Änderungsvorschläge betreffend die bankenrechtliche Bewilligungspflicht.

Vernehmlassungsvorlage des Bundesrates zur Änderung des Bankengesetzes und der Bankenverordnung vom 1. Februar 2017

Ausgangslage

Das klassische Bankengeschäft ist ein Zinsdifferenzgeschäft, bei welchem eine Fristentransformation erfolgt. Typischerweise werden kurzfristige Einlagen entgegengenommen (Passivgeschäft), und diese Gelder werden dann ganz oder teilweise als mittel- oder langfristige Kredite vergeben (Aktivgeschäft).

Nach geltendem Recht dürfen nur natürliche und juristische Personen, die dem BankG unterstehen, Publikumseinlagen gewerbsmässig entgegennehmen (Art. 1 Abs. 2 BankG). Dieses bankenmässige Passivgeschäft besteht darin, dass ein Unternehmen für eigene Rechnung gewerbsmässig Verpflichtungen gegenüber Dritten eingeht und dabei selber zum Rückzahlungsschuldner der Leistung wird. Gewerbsmässig handelt dabei, wer dauernd mehr als 20 Publikumseinlagen entgegennimmt oder sich öffentlich zur Entgegennahme von Publikumseinlagen empfiehlt, selbst wenn daraus weniger als 20 Einlagen resultieren (Art. 6 BankV).

Bei sogenannten Fintech-Unternehmen werden oftmals eine grosse Anzahl Kundengelder mit Rückgabeverpflichtungen, mithin Publikumseinlagen, entgegengenommen. Deshalb fallen diese Unternehmen grundsätzlich in den vorgängig umschriebenen Anwendungsbereich der Bankengesetzgebung und bedürften einer entsprechenden Bewilligung in einem aufwendigen Verfahren und unter strengen, finanziell kaum umsetzbaren Voraussetzungen (z.B. Eigenmittel).

Vorgesehene Erleichterungen

Die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen verfolgen einen prinzipienbasierten Ansatz und sind unabhängig von spezifischen Geschäftsmodellen. Es sollen auch künftige, zurzeit noch unbekannte Technologien und Geschäftsideen davon profitieren können. Ausgehend vom Risikopotenzial sollen in drei Stufen Erleichterungen erfolgen.

  • Längere Abwicklungsfrist von 60 Tagen nach Art. 5 Abs. 3 lit. c BankV: Bereits unter geltendem Recht sind einzig der Abwicklung von Kundengeschäften dienende Habensaldi auf Kundenkonti von Effekten- oder Edelmetallhändlern, Vermögensverwaltern oder ähnlichen Unternehmen von der Qualifikation als Einlage ausgenommen, wenn dafür kein Zins bezahlt wird. Die Weiterleitung der Gelder hat dafür gemäss FINMA-Praxis innert sieben Tagen zu erfolgen. Neu soll diese Abwicklungsfrist gesetzlich auf 60 Tage festgesetzt werden. Insbesondere Crowdfunding-Plattformen steht so ein grösserer Zeitraum zur Verfügung, um für Projekte zu sammeln. Die Bezahlung von Zins ist weiterhin ausgeschlossen. Die Änderung soll nicht für Effektenhändler gelten, diese unterstehen weiterhin der bisherigen Regelung.
  • Innovationsraum für maximal Fr. 1 Mio.: Von der Gewerbsmässigkeit i.S.v. Art. 6 BankV soll in Zukunft ausgenommen sein, wer Publikumseinlagen von gesamthaft höchstens Fr. 1 Mio. entgegennimmt. Bei einer Tätigkeit im sog. Innovationsraum müssen die Kunden vor Tätigung ihrer Einlage darüber informiert werden, dass diese im Konkursfall nicht gesichert sind und keine Aufsicht durch die FINMA besteht. Durch diese Erleichterung sind die betroffenen Unternehmen auch nicht mehr an die – vorgängig umschriebene – 60-tägige Abwicklungsfrist gebunden. Sofern das Unternehmen hauptsächlich im Finanzbereich tätig ist, dürfen die Publikumseinlagen weder angelegt noch verzinst werden (Verbot des banktypischen Aktivgeschäfts). Davon ausgenommen sind Geldnehmer bei einmaligen Crowdfunding-Projekten, welche für die erhaltenen Mittel Zins zahlen und diese ins eigene Unternehmen / Projekt investieren.
  • Neue Bewilligungskategorie unter erleichterten Voraussetzungen: Für Geschäftsmodelle, mit denen zwar mehr als Fr. 1 Mio., aber nicht mehr als Fr. 100 Mio. Einlagen entgegengenommen werden, sollen künftig im Vergleich zu Banken niedrigere Bewilligungsvoraussetzungen gelten. Voraussetzung dafür ist, dass sich die jeweiligen Unternehmen auf das Passivgeschäft beschränken, die entgegengenommenen Publikumseinlagen also weder anlegen noch verzinsen. Die unter dem Titel Innovationsförderung zu erteilende Bewilligung soll Erleichterungen in den Bereichen Rechnungslegung, Prüfung sowie Einlagensicherung mit sich bringen. Im Rahmen der Ausführungsvorschriften werden in einem zweiten Schritt insbesondere in den Bereichen Organisation, Mindestkapital, Eigenmittel und Liquidität geringere Anforderungen festzusetzen sein. Da auch im bewilligten Bereich auf die Einlagensicherung und die entsprechenden höheren Anforderungen verzichtet wird, sind die Kunden ebenfalls darauf hinzuweisen, bevor sie die Einlage tätigen. Das bewilligte Institut wird zudem als Folge der tieferen Anforderungen nicht den Namen «Bank» tragen dürfen.

Im Bereich der Geldwäschereigesetzgebung sind (mit Ausnahme des FINMA RS 2016/7) keine Erleichterungen vorgesehen. Das Geschäft der Fintech- Unternehmen ist diesbezüglich gleich risikobehaftet wie dasjenige der Banken.

Für die rechtliche Behandlung der Blockchain und Distributed Ledger-Technologien sowie virtuellen Währungen wie Bitcoins und Ether ist bis Ende 2017 ein Bericht an den Bundesrat geplant.

APRIL 2017

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