Die Verlängerung der arbeitsvertraglichen Kündigungsfrist kann im Einzelfall eine unangemessene Benachteiligung darstellen und deshalb unwirksam sein, wenn sie aufgrund ihrer Länge die berufliche Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers unverhältnismäßig einschränkt.

BAG, Urteil v. 26.10.2017 – 6 AZR 158/16

Die klagende Arbeitgeberin beschäftigte den später beklagten Arbeitnehmer seit 2009 als Speditionskaufmann. Im Jahr 2012 unterzeichneten die Parteien eine Zusatzvereinbarung, die die Kündigungsfrist für beide Seiten auf drei Jahre (!) zum Monatsende verlängerte und das monatliche Bruttogehalt des Beklagten von EUR 1.400,00 auf 2.400,00 erhöhte. Das Entgelt wurde für drei Jahre (bis Mai 2015) festgeschrieben und sollte sich bei einer späteren Neufestsetzung für mindestens zwei Jahre nicht verändern.

Nachdem der Beklagte festgestellt hatte, dass die Klägerin seinen Dienst-PC heimlich mittels eines dafür geeigneten Programms überwachte, kündigte er sein Arbeitsverhältnis Ende Dezember 2014 zum 31. Januar 2015.

Mit ihrer Klage will die Arbeitgeberin festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis erst unter Einhaltung der 3-Jahres-Frist mit Ablauf des 31. Dezember 2017 endet.

Arbeits- und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Auch vor dem BAG hatte die Arbeitgeberin keinen Erfolg.

Das BAG entschied, dass die in der Zusatzvereinbarung vereinbarte Kündigungsfrist den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Sie ist deshalb nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

Bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Vereinbarung handelt es sich regelmäßig um Allgemeine Geschäftsbedingungen, deren Wirksamkeit nach Maßgabe der §§ 307 ff. BGB zu beurteilen sind. Auch vorformulierte Arbeitsverträge stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar.

Nach Auffassung des BAG kann es eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers darstellen, wenn die vereinbarte Kündigungsfrist wesentlich länger ist, als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB. Im vorliegenden Fall wurde der Beklagte durch die 3-Jahres-Frist unangemessen in seiner beruflichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt und damit in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt.

Diese Benachteiligung des Beklagten wurde trotz der beidseitigen Geltung der langen Kündigungsfrist bejaht und war auch nicht durch die mit der Zusatzvereinbarung verbundenen Gehaltserhöhung zu rechtfertigen, zumal die Zusatzvereinbarung das Vergütungsniveau für ganze 3 Jahre einfror.

Auch Sinn und Zweck der Kündigungsfristen führen zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen benötigt ein Speditionsunternehmen wohl kaum drei Jahre, um einen neuen geeigneten Mitarbeiter zu finden und einzuarbeiten. Zum anderen wird ein Arbeitnehmer in der Regel keine drei Jahre benötigen, um eine neue Tätigkeit zu finden.

Die Kündigung des Beklagten zum 31. Januar 2015 war daher wirksam.

Praxistipp:

Theoretisch ist es zwar möglich, Arbeitsverhältnisse auf Lebenszeit (des Arbeitnehmers, des Arbeitgebers oder eines Dritten) oder jedenfalls für die Dauer von mehr als 5 Jahren (durch Sachgrundbefristung oder Zweckbefristung) einzugehen. Damit Arbeitnehmer auch in diesen Fällen nicht übermäßig in ihrer persönlichen (Berufs-)Freiheit eingeschränkt werden, gewährt § 15 Abs. 4 TzBfG ihnen die Möglichkeit, sich vorzeitig aus derart langen Arbeitsverhältnissen zu lösen und zwar frühestens nach 5 Jahren mit einer Frist von 6 Monaten.

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